Die 10 Gebote des Kapitalismus
– eine heitere Anatomie seiner Widersprüche

Vorwort: Die Religion des Geldes

Willkommen in der Kirche des Marktes. Eintritt frei, Austritt teuer. Hier predigen wir Effizienz, Wachstum und Eigenverantwortung – doch am Ende beten wir alle dasselbe goldene Kalb an. Der Kapitalismus ist keine Ideologie, er ist eine Religion mit Buchhaltung. Seine Gebote sind unausgesprochen, aber universell: Glaube an Profit, meide Sinn, und arbeite, bis du das System verstanden hast – und dann ist es zu spät.

Dieser Text will nichts zerstören, sondern zeigen, wie elegant sich das System selbst sabotiert. Humor ist erlaubt – schließlich lacht der Markt zuletzt. Und meist über Dich. Wieso? Finden wir es zusammen heraus:

1. Du sollst Kapital besitzen, nicht nur arbeiten.

Im Kapitalismus gilt: Wer arbeitet, hat Pech gehabt. Arbeiten ist nur der Eintrittspreis ins Spiel – gewinnen tun die, die nicht mehr müssen. Der Traum, genug Geld zu verdienen, um nie wieder zu arbeiten, ist so universell wie absurd. Denn wenn alle von Renditen leben wollten, wer würde sie dann erarbeiten?

Die Ironie: Das System funktioniert nur, solange genug Menschen nicht frei sind. Der Kapitalismus lebt von jenen, die er glauben lässt, sie könnten ihm irgendwann entkommen. Eine schöne Illusion – aber irgendjemand muss ja den Strom, das Brot und den Beton liefern. Wer alt genug ist, kann Pispers in Gedanken hören.

2. Du sollst Reichtum geringer besteuern als Arbeit.

Das Spiel hat Levels – aber die werden leichter, je weiter du kommst. Während Normalverdiener fast die Hälfte ihres Einkommens abgeben, zahlt Kapital nur 25 %, und ab einem gewissen Punkt verschwindet die Steuer ganz. Die Reichen nennen das „Leistungsgerechtigkeit“ oder „Steueroptimierung“, der Rest nennt es Magie oder absichtliche Steuervermeidung oder auch Steuerhinterziehung.

Im Märchen des Marktes steigen die Helden auf, weil sie fleißig sind. In der Realität steigen sie, weil ihr Geld für sie arbeitet – und es macht keine Mittagspause. So werden Steuern zu einer Art Umverteilung von unten nach oben – eine Art Schwerkraftumkehr für Geld. Und zwar Generation für Generation, weil natürlich auch Großerben deutlich mehr Spielraum und „Auslegung“ von Erbschaftssteuer haben.

3. Du sollst deine Konkurrenz vernichten, um die freie Marktwirtschaft zu retten.

Wettbewerb ist das Lebenselixier des Kapitalismus – bis jemand gewinnt. Dann nennt man es „Monopol“ und applaudiert. Die stärksten Spieler kaufen einfach alle anderen auf, bis sie allein das Spielfeld besitzen. Danach nennen sie das „Marktlogik“. Ernsthaft, das habe ich seit meinem 15. Lebensjahr schon nicht verstanden.

Ironisch: Der Kapitalismus predigt Konkurrenz, schafft aber Märkte, in denen es sie nicht mehr gibt. Amazon verkauft Bücher, Cloud, Werbung – und am Ende die Luft, die du atmest. Freie Märkte sind das Lieblingsmärchen monopolistischer Milliardäre.

4. Du sollst Löhne senken, bis keiner mehr kaufen kann.

Je weniger du deinen Mitarbeitern zahlst, desto mehr bleibt für dich. Theoretisch. Praktisch ruiniert dich das irgendwann selbst, weil deine Kunden dieselben Menschen sind, denen du gerade das Gehalt gekürzt hast.

Das System nennt das „Effizienz“. Keynes nannte es „Dummheit mit Excel“. Wenn alle sparen, produziert keiner mehr – und dann ruft man nach dem Staat, der das System retten soll, das gerade erklärte, er solle sich bitte raushalten.

5. Du sollst Produkte effizienter machen, bis sie wertlos sind.

Effizienz ist der Fetisch der Moderne. Alles wird billiger, schneller, besser – bis niemand mehr dafür bezahlt. Der Kapitalismus lebt von Knappheit, produziert aber Überfluss. Und was nichts mehr kostet, bringt auch keinen Profit. Genau aus diesem Grund sind die bestehenden Energiekonzerne auch nicht daran interessiert, günstige, dezentrale und grüne Energie zur Verfügung zu stellen. Die Auswirkungen dieses Mantra Nummer 5 ziehen sehr weite Kreise.

Jeremy Rifkin nannte das die „Null-Grenzkosten-Gesellschaft“. Eine Welt, in der alles verfügbar, aber nichts mehr verkäuflich ist. Kurz gesagt: Der Kapitalismus ist ein System, das am besten funktioniert, solange es nicht zu gut funktioniert. Und das meine Freunde, sollte allen so langsam bewusst sein. Das ist es, was mich seit der Kindheit irgendwie nicht loslässt.

6. Du sollst sparen, bis die Wirtschaft zusammenbricht.

Wenn du Geld ausgibst, bist du ein Verschwender. Wenn du es sparst, bist du ein Vorbild – bis alle gleichzeitig sparen, dann bist du der Grund für die Rezession. Willkommen beim Paradoxon der Sparsamkeit: Individuell rational, kollektiv fatal.

Jeder tut das Richtige, und gemeinsam ruinieren sie alles. Am Ende muss der Staat einspringen, um das System zu retten, das ihn als Problem betrachtet. Ergebnis: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert – ein ökonomisches Perpetuum mobile, betrieben mit Steuergeld. Oder wie lässt sich das anders beschreiben?

7. Du sollst ewig wachsen, auch wenn du daran stirbst.

Wachstum ist das Mantra der Moderne – egal, ob du ein Land, ein Unternehmen oder ein Tumor bist. Der Kapitalismus kennt keine Sättigung, nur Steigerung. „Mehr“ ist sein einziger Sinn. Leider ist der Planet rund und endlich.

Der Widerspruch ist so alt wie der Motor: Unendliches Wachstum auf endlichem Boden. Die Natur nennt so etwas „Kollaps“. Der Kapitalismus nennt es „Konjunkturzyklus“.

Auch eins der Dinge, die ich im Biologie-Unterricht so faszinierend fand: Ein Pilz in der Petrischale ist sich nicht bewusst, dass er sich selbst auslöscht, in dem er exponentiell wächst, bis die Ressourcen verbraucht sind. Wir hingegen sind es sehr wohl, ignorieren aber den Umstand, weil es ja noch zig Trillionen von Planeten da draußen gibt?

8. Du sollst predigen, dass Arbeit sich lohnt – aber sieh zu, dass sie es nicht tut.

Der schönste Mythos des Systems: „Leistung muss sich lohnen.“ Klingt fair, bis man merkt, dass Leistung wenig zählt, wenn Kapital mehr spricht. Die oberen Etagen bestimmen ihre Gehälter selbst, segnen sie gegenseitig ab – und nennen es Marktgerechtigkeit.

Währenddessen rettet die Krankenschwester Leben für 3.000 Euro brutto und der Bankvorstand zerstört sie für das 100-Fache. Objektive Bewertung? Nicht vorgesehen. Der Kapitalismus liebt Geschichten über Aufstieg, aber hasst Mechanismen, die ihn ermöglichen würden.

Anderes Beispiel, kurze Anekdote. Was man sich auch immer mal wieder vor Augen führen sollte: Angenommen man wäre Highlander und unsterblich. Noyce! Man wäre auch VOR 80.000 JAHREN zur Welt gekommen und hätte eine mega geile Geschäftsidee, mit der Du viel Geld verdienst! Du kannst JEDEN TAG Deines Lebens einfach so problemlos $10.000 auf die Seite legen und sparen. Unterm Kopfkissen oder so, ist eigentlich egal... weil selbst heute, nach ~365 × 82.025 Jahren á $10.000 hast Du noch immer nicht so viel, wie Elon Musk aktuell hat! Keine Pointe.

Kannst den Taschenrechner einpacken: 500 Milliarden Dollar hat Elon Musk aktuell (Stand November 2025) und Du hättest knappe 300 Milliarden Dollar. ~82.025 Jahre. $10.000 am Tag. Nur mal so.

9. Du sollst Arbeit schaffen – egal, ob sie Sinn ergibt.

Im Kapitalismus gilt Beschäftigung als Selbstzweck. Arbeit ist Tugend, selbst wenn sie nichts bringt. Steuerberater kämpfen gegen Steuerprüfer, Anwälte gegen Anwälte, Controller gegen Controller – ein endloses Schachspiel, bei dem niemand das Brett verlässt.

David Graeber nannte das „Bullshit Jobs“: Tätigkeiten, die alle Beteiligten für sinnlos halten, aber notwendig sind, damit das System sich beschäftigt fühlt. Der Kapitalismus produziert Arbeit, um seine eigene Existenz zu rechtfertigen – wie ein Hamsterrad, das stolz darauf ist, sich zu drehen. Mir fällt da immer spontan die Szene aus „The Fifth Element“ mit Zorg (YouTube) ein, als er schier erstickt wäre...

10. Du sollst an das ewige Wachstum glauben – Amen.

Dies ist das letzte und heiligste Gebot. Das Evangelium der Ökonomie lautet: Wachstum ist immer gut. Egal, was zerstört wird, solange das Bruttoinlandsprodukt steigt. Die Natur ist nur eine externe Variable, die man in Fußnoten versteckt.

Das System ist so gebaut, dass Stillstand als Tod gilt. Also wächst es weiter – notfalls in die Katastrophe. Der Kapitalismus gleicht einem Hai: Er muss sich bewegen, sonst erstickt er. Und je weiter er schwimmt, desto leerer wird das Meer. Es wird komplett außer Acht gelassen, dass es physikalische Naturgesetze gibt, die sich nicht durch ein Zahlungsmittel umgehen lassen. Physik gilt für alle, auch für die, die nicht daran glauben.

AMEN

Epilog: Die göttliche Selbstzerstörung

Alle diese Widersprüche sind keine Fehler – sie sind Features. Der Kapitalismus ist kein kaputtes System, das man reparieren könnte, sondern ein selbsterhaltendes Paradoxon: Er muss Ungleichheit erzeugen, um sich zu stabilisieren. Er muss Arbeit entwerten, um Beschäftigung zu schaffen. Er muss Umwelt zerstören, um Rendite zu sichern.

Sein genialer Trick ist psychologisch: Er lässt jeden glauben, er könne ihn schlagen. Aber das Spielbrett gehört ihm. Und während wir fleißig nach oben klettern, dreht sich die Leiter im Kreis.

Doch wer das erkennt, kann lachen – und neu denken. Denn Systeme, die von Paradoxien leben, sterben irgendwann an Klarheit. Und vielleicht ist genau das der Anfang von etwas Besserem.

Eigentlich ist das Thema zum Verzweifeln, ChatGPT hat mir nur innerhalb ein paar Stunden geholfen, damit etwas humorvoller umzugehen, um mich etwas abzulenken.

Was für Alternativen es gäbe? „Beyond Kapitalismus“ weiterlesen